Geschrieben von Martina Stecker am in Start

„Jede Frauengeneration, die gewonnene Rechte nicht verteidigt hat und neue nicht erobern wollte, hat schon ein Stück von ihnen verloren.“ Marielouise Janssen-Jurreit

Von Sternstunden und kühnen Träumen – Elisabeth Selbert und der Kampf um die Gleichberechtigung in Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes

Geschrieben von Martina Stecker am in Frauen in der Politik, Start

Das Jahr 2019 ist reich an Gedenktagen – auch und gerade für Frauen. Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht eingeführt, und vor 70 Jahren trat das Grundgesetz in Kraft, das in Artikel 3, Absatz 2 den ebenso schlichten wie folgenreichen Satz enthält: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Zu verdanken haben wir diesen Satz der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert, die buchstäblich wie eine Löwin für dieses unmissverständliche Grundrecht gekämpft hat. Und die zu Unrecht jahrzehntelang in Vergessenheit geraten war – auch in der SPD. Es waren 61 Männer und vier Frauen, die 1948 Sitz und Stimme im Parlamentarischen Rat hatten, der verfassungsgebenden Versammlung, deren Auftrag es war, ein Grundgesetz zu erarbeiten, das bis zur Wiedervereinigung als vorläufige Verfassung für die junge Bunderepublik fungieren sollte. Neben Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum) gehörten auch die Sozialdemokratinnen Frieda Nadig und Elisabeth Selbert zu den „Müttern des Grundgesetzes“. Als es darum ging, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Grundgesetz zu verankern, war Elisabeth Selbert zunächst auf sich allein gestellt. Elisabeth Selbert war eine außergewöhnliche Frau. Als eine der ersten Frauen zum Jurastudium zugelassen, über die „Zerrüttung als Ehescheidungsgrund“ promoviert und als eine der wenigen Juristinnen, die während des Nationalsozialismus praktizieren konnten, verfügte sie über einen enormen juristischen Sachverstand. Und sie wusste um die rechtliche Stellung der Frauen, die im Ehe-, Familien- und Arbeitsrecht den Männern nicht gleichgestellt waren. Noch immer konnte der Ehemann über die Erziehung der Kinder bestimmen, Frauen durften ein Bankkonto nur mit Genehmigung des Ehemanns eröffnen und nur mit seiner Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Vor diesem persönlichen – und natürlich auch politischen – Hintergrund sah sie sich mit dem ersten Entwurf des Grundgesetzes konfrontiert, der von einem Verfassungskonvent vorgelegt wurde, der 1948 auf der Insel Herrenchiemsee getagt hatte – und sich ausschließlich aus Männern zusammensetzte. In diesem Entwurf hieß es in Sachen Gleichberechtigung: „Männer und Frauen haben grundsätzlich die selben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“. Elisabeth Selbert ging dieser Vorschlag nicht weit genug. Er hatte für sie nur deklamatorischen Charakter und ließ ihres Erachtens zu viele Hintertürchen offen. Sie schlug deshalb konsequenterweise vor, den Grundgesetzartikel schlicht und ergreifend umzuformulieren: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Die erfahrene Juristin wollte mit ihrem Vorschlag sicherstellen, dass der Gesetzgeber qua Verfassung einen imperativen Auftrag bekommt, auf die Gleichberechtigung der Geschlechter hinzuwirken. Ihr konsequentes Eintreten für diesen Vorschlag löste zunächst Abwehrreaktionen bei den männlichen Kollegen aus – aber auch bei ihren weiblichen Mitstreiterinnen. Gegen diese „Phalanx“ schien sie zunächst machtlos. Nicht nur die Konservativen hielten die männliche Vorherrschaft auch nach zwei Weltkriegen für quasi naturgegeben. Auch mancher Sozialdemokrat fürchtete, dass die volle Gleichberechtigung der Geschlechter buchstäblich im Chaos enden könnte. Denn es war a-offenkundig, dass fast alle ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen diesem Grundsatz widersprachen. Wovor sich die Gegner fürchteten, nämlich dass alle diese Regelungen über kurz oder lang außer Kraft gesetzt werden müssten – gerade darauf setzte Elisabeth Selbert. Das BGB sollte der gesellschaftlichen Realität angepasst werden, wo doch die Frauen bereits hinlänglich bewiesen hatten, Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen zu können. Elisabeth Selberts Entwurf für den Gleichberechtigungsartikel wurde anschließend in den zuständigen Ausschüssen des Parlamentarischen Rates gleich zweimal abgelehnt. Dieses Ergebnis überraschte sie, war sie doch davon ausgegangen, dass es anno 1948/49 keine kontroverse Diskussion mehr über die volle rechtliche Gleichstellung der Frau geben würde. In ihren Augen hätte die Gleichberechtigung der Frau nach den Erfahrungen zweier Weltkriege ohne Kampf über die Bühne gehen müssen. So bekannte sie dann auch in einer Rede im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates sie habe es sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass ihr Antrag abgelehnt werden würde. Elisabeth Selbert ließ sich aber durch diesen Rückschlag nicht entmutigen, im Gegenteil. Sie nutzte ihre Erfahrung und ihre Bekanntheit und rief Frauen im ganzen Land auf gegen die Nichtaufnahme ihres Vorschlags in das Grundgesetz zu protestieren. Sie bereiste zahlreiche Städte, nahm an unzähligen Veranstaltungen teil – wie ein Wanderprediger, wie sie sich selbst charakterisierte. Binnen kurzer Zeit kam eine eindrucksvolle Kampagne ins Rollen: Zigtausende Frauen aus allen Schichten und Berufen schrieben empörte Briefe an den Parlamentarischen Rat – im wahrsten Sinne des Wortes waschkörbeweise. Der öffentliche Protest überraschte die Gegner, sie gaben schließlich auf. „Eine Sternstunde meines Lebens“, nannte Elisabeth Selbert später den Moment, als der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ als Artikel 3, Absatz 2 am 23. Mai 1949 ins Grundgesetz aufgenommen wird – einstimmig! Was nun folgte waren die sprichwörtlichen Mühen der Ebenen – bis heute im Übrigen. Elisabeth Selbert hatte selbst vorgeschlagen, dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 1953 einzuräumen um die bestehenden Gesetze an den Gleichberechtigungsartikel anzupassen. Diese Frist verstrich jedoch, ohne dass diese Verpflichtung eingelöst wurde. Es war seitdem immer wieder das Bundesverfassungsgericht, das den Gesetzgeber mit seinen Entscheidungen anhielt, dem Auftrag des Grundgesetzes Genüge zu tun. 1957 wurde das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet, das aber noch viele Wünsche offen ließ. Erst 1977 erfolgte während der sozial-liberalen Koalition die Reform des Ehe- und Familienrechts, 1980 trat das Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz in Kraft, 1994 folgte das zweite Gleichberechtigungsgesetz. Der Artikel 3, Absatz 2 wurde im Zuge der deutschen Einheit erweitert. Schon im Einigungsvertrag 1990 war vereinbart worden, dass der gesamtdeutsche Gesetzgeber die Aufgabe hat, die Gesetzgebung zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen weiterzuentwickeln. Die eingesetzte Verfassungskommission sah sich mit den Forderungen eines fraktionsübergreifenden Frauenbündnisses konfrontiert – das sich symbolträchtig auf der Insel Frauenchiemsee traf -, den Artikel mit Blick auf eine aktive Rolle des Staates bei der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu novellieren. Mit Erfolg: 1994 wurde der Artikel 3, Absatz 2 um den Satz erweitert: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Damit war Elisabeth Selberts Anliegen Rechnung getragen und der Staat zum Handeln verpflichtet. Von 1994 bis heute folgten dann weitere Gesetze und Bestimmungen u.a. zur Steigerung der Repräsentanz von Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen, das Entgelttransparenzgesetz und Quotenregelungen in den Parteien. Aber weder in der Politik noch in der Wirtschaft ist die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männer erreicht. Es ist noch viel Luft nach oben, weshalb die auch von der ASF in diesem Monaten vertretene Forderung nach einem Paritätsgesetz eine neue Etappe einläutet – letztlich auf dem Weg zur Vollendung unserer Demokratie. Elisabeth Selbert hat ihren späten Erfolg nicht mehr erleben können. Sie starb 1986, und es ist für uns heute völlig unverständlich, warum die SPD dieser herausragenden Politikerin keine herausragende Position angeboten hat – außer einem Sitz im Hessischen Landtag. Nachdem die neue Frauenbewegung und insbesondere die Frauenforschung Elisabeth Selbert in den 1980er Jahren „wiederentdeckt“ hatten, stieg ihre Bekanntheit umso mehr, und ihre Verdienste um die Gleichstellung von Frauen und Männern werden seitdem hoch geschätzt. Nicht nur die SPD-Frauen haben Elisabeth Selbert viel, ja vielleicht alles zu verdanken. Nicht auszudenken, wo wir heute stünden, wenn sie nicht mit aller Hartnäckigkeit und gegen viele Widerstände ihr Ziel verfolgt hätte. Ihre Kompetenz, ihr politischer Weitblick, aber auch ihr politischer und persönlicher Mut sind bis heute nahezu unerreicht.

https://www.hdg.de/lemo/biografie/elisabeth-selbert.html

Anteil der Frauen in Duisburg

Geschrieben von Dr. Maxi Platz am in Statistisch

Frauen in der Stadtverordnetenversammlung/im Rat der Stadt Duisburg 1919 bis 2019 im Vergleich, Gesamtanteil/-zahl und SPD-Zugehörigkeit

Jahr Gesamtzahl Stadtverordnete bzw. Ratsmitglieder davon Frauen abs.davon Frauen in % Anzahl SPD-Frauen, Stadtverordnetenversammlung bzw. Rat der Stadt
1919 75 4 5,3 2
1946 48 1 2,0 keine
1948 44 1 2,3 keine
1952 54 5 9,3 2
1956 60 5 8,3 3
1961 60 6 10,0 3
1964 61 6 9,8 3
1969 61 5 8,2 3
1975 83 89,6 5
1979 83 8 9,6 5
1984 83 12 14,5 8
1989 75 17 22,7 13
1994 75 20 26,7 13
1999 74 16 21,7 8
2004 74 20 27,03 7
2009 74 18 24,32 8
2014-2019 84 31 36,9 12



Duisburger Ratsfrauen im überregionalen Vergleich – heute an der Spitze

Von 1919 bis heute hat sich der Frauenanteil im Rat der Stadt Duisburg versechsfacht.

Ein überregionaler Vergleich mit anderen großen NRW-Städten macht deutlich, dass Duisburg stark aufgeholt hat und einen der größten Frauenanteile in den Ruhrgebietsgroßstädten stellt.

Das ist ein Erfolg, aber Ziel unser Ziel ist und bleibt 50% der Ratsleute müssen Frauen sein, nur das ist eine gerechte Verteilung der Sitze an der Spitze der Stadt!

Zur Erläuterung: Städtevergleich – bezogen auf 2017 – mit den Städten Bochum (29,76 %), Bonn (33,33 %) , Düsseldorf (31,71 %), Essen (31,11 %), zum Vergleich: Münster (30,56 %) u.a. großen NRW-Kommunen macht deutlich, dass Duisburg mit 36,9 % Frauenanteil im Rat der Stadt nur noch z.B. von Dortmund (39,36 %) übertroffen wird.

Autorinnen:
AsF-Frauengeschichts-AG: Doris Freer, Ingrid Marx, Maxi Platz, Martina Stecker, Petra Weis

100 Jahre Frauenwahlrecht

Geschrieben von Martina Stecker am in Presse

Grußwort von Martina Stecker

Liebe Leserinnen und Leser,

dass Frauen wählen und gewählt werden dürfen, ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Die Erinnerung an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren lenkt unseren Blick auf viele Jahrzehnte des Kampfes von Frauen um dieses Recht – und auf die Entwicklung der politischen Beteiligung von Frauen bis in die Gegenwart.

Es ist nicht zuletzt auch vielen Sozialdemokratinnen zu verdanken, dass das „Stimmrecht“ für Frauen, wie die Zeitgenossinnen es nannten, nach vielen Kämpfen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und des Kaiserreichs endlich eingeführt wurde.

Sozialdemokratische Frauenpolitik und die Forderung nach dem Frauenwahlrecht hat auch in Duisburg eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Als 1911 der erste Internationale Frauentag weltweit begangen wurde, erreichte die Frauenwahlrechtskampagne in Duisburg einen ersten Höhepunkt, als über 350 Frauen an einer sozialdemokratischen Versammlung teilnahmen und das Wahlrecht einforderten. 1913 waren 785 Sozialdemokratinnen als Mitglieder im Bezirk Niederrhein vermerkt, immerhin 17 Prozent aller Mitglieder! Auf dieser Grundlage haben wir seitdem weitere Fortschritte erreicht.

Heute sind Frauen in den Parteien und Parlamenten selbstverständlich, aber ihr Anteil dort ist immer noch nicht gleich hoch wie der Anteil der Männer. Deshalb müssen wir nach der Einführung von innerparteilichen Quotenregelungen als nächsten Schritt eine Wahlrechtsreform ins Auge fassen, die für eine paritätische Verteilung der Parlamentsmandate zwischen Frauen und Männern sorgt. Es gibt also noch viel für uns zu tun, nicht nur, aber auch in Duisburg.

Ihre

Martina Stecker

Vorsitzende der ASF Duisburg

Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling

Geschrieben von Martina Stecker am in in der Stadtpitze

Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling

* 31.12.1949 in Duisburg-Meiderich

Studierte Sozialwissenschaften, Psychologie und Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum und war dann Lehrerin für Berufsbildende Schulen.

Bärbel Zieling wurde 1972 Mitglied der SPD, gehörte der Bezirksvertretung Hamborn 1975–1979 an, dem Rat der Stadt Duisburg 1979 bis 1997. Sie war stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion vom November 1981 bis April 1988, danach Fraktionsvorsitzende bis Juni 1997. Ab 1995 war sie Bürgermeisterin, arbeitete aber bis 1997 noch hauptberuflich als Lehrerin an der Berufsschule in Dinslaken.

1997 wurde sie vom Rat als Nachfolgerin von Josef Krings als Oberbürgermeisterin gewählt. Mit ihrer Wahl galt zugleich die neue Gemeindeordnung in NRW, nach der der Oberbürgermeister hauptamtlich als erster Repräsentant der Stadt auch Chef der Verwaltung ist. In der nachfolgenden Kommunalwahl 1999, erstmals eine Direktwahl des Oberbürgermeisters, gewann Bärbel Zieling gegen den von der CDU aufgestellten parteilosen Gernot Born, ehemals Rektor der Universität-Gesamthochschule Duisburg, bereits im ersten Wahlgang.

Bei der Kommunalwahl im Oktober 2004 wurde Bärbel Zieling nicht wiedergewählt.

Danach zog sie sich aus dem politischen Leben zurück.