50 Jahre AsF in Duisburg: Impressionen unserer Jubilarfeier
Festrede:
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch von mir ein herzliches Willkommen zu dieser Jubiläumsveranstaltung. Ich bedanke mich für die Einladung hier und heute eine kleine Festrede zu halten, die ich sicher auch erhalten habe, weil ich in mehrfacher Funktion vor Euch stehe: als langjährige ASF-Funktionärin, angefangen vom Ortsverein, über den Unterbezirksvorstand, den Bezirksvorstand und schließlich den Bundesvorstand, aber auch als Leiterin des Frauenreferates beim Parteivorstand in Bonn und Berlin, und schließlich auch als erste Bundestagsabgeordnete der SPD für Duisburg.
Ich muss nun gleich zwei Versuchungen widerstehen: Zum einem dem geflügelten Wort zu widerstehen: Es ist nach vier Vorrednerinnen alles gesagt worden, nur noch nicht von allen. Und als über Jahrzehnte hinweg persönlich Beteiligte und Betroffene nicht zu sehr in Anekdoten zu versinken.
Deswegen will ich also versuchen, den Weg der Frauen in der SPD im Allgemeinen und in der Duisburger Partei im Besonderen in den vergangenen 50 Jahren – miteinander verschränkt – ein wenig nachzuzeichnen und sowohl auf einzelne Begebenheiten als auch auf längerfristige Entwicklungen einzugehen.
Wenn wir heute auf die 50jährige Geschichte der ASF zurückblicken erinnern, dann wissen wir zugleich, dass die
Frauenarbeit auch in unserem Unterbezirk eine viel
längere Geschichte hat, auf der diejenigen, die sich in den 1970er Jahren auf den Weg gemacht haben, die Frauenarbeit auf neue Füße zu stellen, aufbauen konnten.
Wenn wir uns in die beginnenden 70er Jahre hineinversetzen, dann sind vor allem zwei Aspekte für die Gründung der ASF von Bedeutung: Die Repräsentanz von Frauen in den Gremien und Parlamenten war beschämend gering, und die neue Frauenbewegung gab den jüngeren Frauen in der SPD Rückenwind, nicht nur eine bessere politische Beteiligung, sondern auch ein modernes Frauenbild und eine sich daran ausrichtende Politik für Frauen einzufordern. Es rumorte also unter den Frauen, die Forderung nach einer eigenen Organisation mit eigenen gewählten Vorständen und eigenem Antragsrecht auf eigenen Konferenzen wurde nun immer lauter.
Denn die SPD hatte sich noch nicht von ihrem Credo verabschiedet, dass es keiner besonderen Frauenarbeit bedürfe, denn die Forderungen der Frauen könnten nur über die Mitwirkung in der Gesamtpartei verwirklicht werden. Und so wurden auf Bundesebene wie auch auf Unterbezirksebene Frauenbeauftragte von den jeweiligen Vorständen eingesetzt. In Bonn war das Annemarie Renger, die spätere erste Bundestagspräsidentin, in Duisburg die Landtagsabgeordnete Waltraud Lauer. Die jüngeren Frauen wollten sich nicht länger damit abfinden, dass die Fraueninteressen den Interessen der Gesamtpartei untergeordnet werden. Das machte sich auch an Inhalten fest. Die SPD forderte damals noch die Tagesmutter als Beruf, die ASF setzte sich für einen gerechte Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit ein und definierte einen neuen Familienbegriff: Familie ist da, wo Kinder sind. Was uns heute als selbstverständlich erscheint, war für die damalige Zeit ziemlich revolutionär.
Parallel dazu wurde eine Diskussion über die 10-Prozent-Quote für die Mitglieder des Parteivorstands geführt, die in der Satzung der Bundespartei festgeschrieben war. Soll die seit 1947 bestehende 10%Quote aus der Satzung gestrichen werden oder nicht? Es sind vor allem junge Genossinnen, die den festgeschriebenen Frauenanteil als Emanzipationshemmnis betrachteten, während erfahrene Genossinnen davor warnten, den Frauenanteil ohne diese Bestimmung weiter zu dezimieren. Die Bestimmung wurde gestrichen, und der Frauenanteil im 40köpfigen Parteivorstand sank von 4 auf 2 Frauen. Gut 10 Jahre später begann die Diskussion über die Quote, wie wir sie heute kennen. Aber dazu komme ich später.
Bleiben wir also in den frühen 1970er Jahre: Als der SPD-Parteivorstand 1972 die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften beschließt, wird damit die Gründung der ASF vorbereitet.
Die erste ASF-Bundesfrauenkonferenz der ASF findet im März 1973 in Ludwigshafen statt, das Motto lautet „Benachteiligungen überwinden“.
Die Konferenz ist gekennzeichnet durch eine intensive Selbstverständnisdebatte, die sich mit der Frage beschäftigte, warum es eine eigenständige Frauenorganisation überhaupt geben müsse, und wie es um das Verständnis von Theorie und Praxis bestellt ist – und um das Verhältnis von Akademikerinnen und Nichtakademikerinnen, von berufstätigen Frauen und Hausfrauen. Eine solche Diskussion brandete im Übrigen in den 80er Jahren in der Duisburger ASF auf, als sich nicht berufstätige Genossinnen von den in der Regel jüngeren berufstätigen und akademisch gebildeten Frauen nicht ausreichend wertgeschätzt fühlten.
Zur ersten Bundesvorsitzenden der ASF wurde Elfriede Eilers aus Bielefeld gewählt. Sie beschrieb das Ziel der ASF mit den Worten: Wir müssen uns selbst überflüssig machen.
Die Gründungsversammlung der Duisburger ASF fand bereits am 15. Februar 1973 im Kleinen Saal der Mercatorhalle statt. Zur ersten Vorsitzenden wurde Mischi Bertling gewählt. Mischi war seit den 60er Jahren engagierte Kommunalpolitikerin, von 1967 bis 1994 Ratsmitglied und Mitglied im Fraktionsvorstand
Und sie war eine engagierte Gesundheits- und Sozialpolitikerin. Dazu gehörte auch ihr Eintreten für den Verbraucherschutz. Unter dem Motto „Es geht auch ohne Fleisch“ startet die ASF eine Flugblattaktion, in der zum Fleisch-Boykott aufgerufen wird. Das Ziel der Aktion sollte nicht allein dazu dienen die Fleischpreise in den Griff zu bekommen, sondern die Frauen davor zu warnen, vorurteilslos jeden Preis zu bezahlen, sondern durch ein entsprechendes Kaufverhalten einen Beitrag zur Stabilität zu leisten. Vor Ort soll die Einrichtung einer Verbraucherberatungsstelle helfen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Mischi Bertling und die ASF formulierten einen entsprechenden Antrag, und seitdem als es dann kurz darauf zur Einrichtung eines Verbraucherbeirates kommt, der der Vorläufer der späteren Beratungsstelle ist, gilt Mischi Bertling als „Mutter der Beratungsstelle“. Die 70er Jahre sind darüber hinaus geprägt von den Themen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Ausbildungsplatzsituation von Mädchen und jungen Frauen und nicht zuletzt die Gleichstellung von Frauen in der SPD. 1979 wird im Unterbezirk die Kommission Gleichstellung der Frau eingesetzt – in der Hoffnung auf einen gemeinsamen Dialog mit einer gemeinsamen Willensbildung. Die Debatte um die Quote war damit auch in der Duisburger SPD eröffnet.
Die 1980er Jahre standen ganz im Zeichen der Debatte um den § 218. Die ASF lud zu Veranstaltungen ein und führte Unterschriften- und Postkartenaktionen durch. Herta Däubler-Gmelin, der damaligen stellvertretenden Parteivorsitzenden, wurde auf dem UB-Parteitag 1987 1200 Unterschriften für eine Regelung im Sinne der Frauen übergeben.
Die 1980er Jahre standen darüber hinaus im Zeichen der beruflichen Gleichstellung von Frauen. Dafür steht beispielhaft die Einrichtung der Gleichstellungsstelle bei der Stadt mit Doris Freer als einer der ersten kommunalen Gleichstellungsbeauftragten überhaupt. Es war wiederum Mischi Bertling, die die Einrichtung dieser stelle in Duisburg maßgeblich vornagetrieben hat. Die Aufstellung eines Frauenförderplans für die Stadtverwaltung gehörte zu den wichtigsten Aufgaben, die sich im Laufe der Jahre immer weiter ausgeweitet und u.a. im Aufbau eines umfangreiches Netzwerk mündete.
Wir denken aber auch an die Einrichtung der Regionalstelle Frau und Beruf, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbesserung der Situation von Frauen im Berufsleben geleistet hat.
Aber auch die Einrichtung des Duisburger Frauenhauses wäre ohne das Engagement der ASF nicht denkbar. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gehört seitdem zum festen Bestandteil der ASF-Arbeit nicht nur in Duisburg.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass die ASF auch einen Schwerpunkt darauf gelegt hat, die Betreuungssituation von Kindern im Kindergartenalter zu verbessern. Hier sei mir eine Anekdote gestattet: Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Auseinandersetzung mit dem damaligen Jugenddezernenten der Stadt, der mir weismachen wollte, dass es keiner weiteren U3-Betreuungsplätze bedürfe, weil die Mütter bzw. Eltern sich nur zu einem geringen Prozentsatz auf eine entsprechende Umfrage der Stadt zurückgemeldet hätten und in den Großmüttern bzw. Großeltern ja einen hervorragenden Ersatz für die Betreuung der Kinder während der Berufstätigkeit der Eltern hätten. Heute fehlen bundesweit immer noch mehrere Hunderttausend Betreuungsplätze.
Aber die ASF hat auch Themen zu einem Zeitpunkt gesetzt, als sie für die Partei noch nicht auf der Tagesordnung standen: Ich denke da an das Thema Nachhaltigkeit und die vielfältigen Aktivitäten rund um das Thema Lokals Agenda 21. Hier war die ASF Vorreiterin einer Debatte, die uns noch Jahrzehnte lang beschäftigen wird.
Innerparteilich sind die 1980er Jahre vor allem durch die Diskussion über das Für und Wider der Quote geprägt. Die ASF-Bundeskonferenz 1977 wirft erstmals die Frage nach einer Quote. Ein entsprechender Antrag wurde zwar knapp abgelehnt, aber die Debatte kommt seitdem nicht zur Ruhe.
Stattdessen wird ein Konzept zur Frauenförderung in der Partei angenommen, das Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ebenso einfordert wie die Einrichtung von Frauenreferaten auf allen Ebenen der Partei.
Es folgt die Einsetzung der Kommission Gleichstellung beim Parteivorstand, die Vorlage eines Gleichstellungsberichts auf den SPD-Bundesparteitagen und ein innerparteilicher Frauenförderplan.
Auch unter den Duisburger Genossinnen ist der Frust groß. MIschi Bertling und die ASF erarbeiten ein Aktionsprogramm, das insbesondere eine Gleichstellungskommission auf UB-Eben fordert. Die Kommission wird schließlich eingerichtet und fordert die OVs auf, Frauen entsprechend ihrem Mitgliederanteil an Ämtern und Mandaten zu beteiligen, Frauen bei der Wahl der bürgerschaftlichen Mitglieder stärker zu berücksichtigen und Frauen in den Ausschüssen in allen Politikfeldern zu berücksichtigen und nicht nur in den frauentypischen.
Die Erfolge bleiben aus, so dass Mischi Bertling zu bedenken gibt, ob es nicht doch besser sei, einer Quote zuzustimmen.
Dieser Vorschlag wird wiederum abgelehnt, stattdessen geht es nun um Selbstverpflichtung der Partei und Selbstverantwortung der Frauen für ihre Gleichstellung. 1983 fordert der Unterbezirksvorsitzende Anton Riederer die Frauen auf, sich stärker in den Ortsvereinen zu engagieren und nicht nur in ihrer Arbeitsgemeinschaft, so wertvoll diese Arbeit auch sei.
1987 schließlich verabschiedete der Unterbezirksparteitag eine Resolution, in der die Frauen mit einem Anteil von 30 Prozent zu berücksichtigen seinen.
Diese Resolution ist dann im August 1988 überholt, als der Bundesparteitag in Münster die stufenweise Einführung der 40%Quote für Männer und Frauen beschließt.
Nach dem Fall der Mauer wurde die Frage nach Frauenrechten in der Verfassung einschließlich einer Regelung des § 218 akut. Die Neufassung des Artikels 3. Absatz zwei mit dem Bekenntnis, dass der Staat die Gleichstellung von Frauen und Männern aktiv fördern möge, war ein Erfolg, der ohne den Einsatz der SPD-Frauen nicht möglich gewesen wäre. Und es ging auch um das gegenseitige Kennenlernen und Zusammenführen von Frauen aus Ost und West – nicht nur in der SPD. Das hat meine berufliche Tätigkeit in Bonn stark beeinflusst, aber auch wir in der ASF Duisburg haben einen Austausch mit Frauen in Brandenburg gesucht. Ich erinnere mich noch gut an einen Besuch einer ASF-Delegation aus Duisburg in Potsdam, wo wir uns mit politisch interessierten und engagierten Frauen getroffen haben, die der SPD noch nicht angehörten. Und ich erinnere mich ebenso gut daran, dass wir uns doch ein bisschen fremd waren und es unübersehbar war, dass wir über Jahrzehnte in unterschiedlichen Systemen gelebt haben. Und doch war uns klar, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern weder im Kapitalismus noch im Sozialismus schon verwirklicht war.
Und heute? Allen Fortschritten zum Trotz sind wir noch nicht am Ziel. Einige Themen überdauern die Zeit, andere kommen neu hinzu, wenn wir etwa an Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen im Netz denken. Überflüssig sind wir also noch lange nicht, um zum Schluss noch einmal auf das Zitat von Elfriede Eilers zurückzukommen.
Petra Weis, ehemalige MdB